Frage
Sehr geehrte ExpertInnen,
während meiner Recherchen zur Unterrichtsvorbereitung „Thromboseprophylaxe“ stoße ich auf die diffuse Frage der Kompression: Warum strebe ich mit der Wickelung durch Kurzzugbinden denn überhaupt einen hohen Arbeitsdruck an, wo die klinische Realität doch eher einen hohen Ruhedruck benötigte, da die PatientInnen doch vorrangig immobil=bettlägerig sind? Oder ist das Unverständnis in den Begrifflichkeiten begründet: Ruhedruck = Druck auf die Venen in Ruhe; Arbeitsdruck = Druck auf die Venen bei Muskelarbeit? Wir danken herzlich für Klärung oder Literaturnachweise, mit sonnigen Grüßen aus Freiburg
Antwort
Sehr geehrte Frau …….,
vielen Dank für Ihre Frage, die nur auf den ersten Blick leicht zu beantworten scheint. Nach übereinstimmenden Literaturangaben liegt der Vorteil eines hohen Arbeitsdruckes in der Tat darin, dass bei Muskelkontraktion (in der Muskelsystole) der Druck auf die Venen zunimmt, im besten Fall die Klappentaschen der Venenklappen einander angenähert werden bis zum wieder vollständigen Funktionieren, auf jeden Fall der Querschnitt der Venen während dieser Phase verringert wird mit dem Effekt der Strömungsbeschleunigung des Blutes. Dies ist ihnen natürlich bekannt aber sie weisen in ihrer Frage zu Recht darauf hin, dass in der Realität die meisten unserer Patienten, jedenfalls die bei denen wir die Kompressionsverbände zur Thromboseprophylaxe anwenden, immobil bzw. bettlägerig sind. Diese Patienten haben eben kaum Muskelkontraktionen. Der hohe Arbeitsdruck kann seine Vorteile bei diesen Patienten gar nicht zeigen. Es ist also wohl eher der niedrige Ruhedruck, der uns bei dieser Patientengruppe bewegt Kurzzugbinden zu verwenden. Die niedrige Rückstellkraft sichert die arterielle Versorgung, auch bei diesbezüglich bereits eingeschränkten Patienten (im fortgeschrittenen Stadium der pAVK wird ja sowieso nicht komprimiert). Der hohe Arbeitsdruck wirkt hier wohl nur passiv dem Entstehen von Ödemen bei abhängigen Beinen entgegen.
Es ist wohl auch eine Frage der Alternativen. Bei der beschriebenen Patientengruppe scheiden Langzugbinden naturgemäß aus. Zinkleimverbände wären zu umständlich, Kohäsivbinden zu teuer und nicht wiederverwendbar, Kompressionsstrümpfe wegen ihrer hohen Rückstellkraft nicht anwendbar.
Dies ist mein Erklärungsversuch. Ich werde diesen Versuch aber zusammen mit ihrer Frage noch an Frau Protz weiterleiten, die im Wundzentrum Hamburg Kompressionsexpertin ist. Vielleicht kann sie uns zusätzliche Gesichtspunkte nennen.
Es ist manchmal wirklich hilfreich, sich über Selbstverständliches, Gedanken zu machen. Für diese Gelegenheit noch einmal herzlichen Dank
Herzliche Grüße
Dr. Münter
Frage
Innerhalb unserer Einrichtungen ist die Frage aufgetaucht, inwieweit Zinksalbe zur Behandlung von Akne inversa zugelassen ist. Wir versorgen zunehmend Pflegebedürftige mit Akne inversa nach Krankenhausaufenthalt, die mit Zinksalbe versorgt werden. Unsere Wundmanagerinnen sind irritiert. Müssen die Pflegekräfte bei einer Verordnung mit Zinksalbe von ihrer Remonstrationspflicht Gebrauch machen? Wir würden uns über eine Nachricht, gerne als Mail, sehr freuen. Die Verunsicherung ist recht groß ist und unsere Mitarbeiterinnen wünschen sich Handlungssicherheit.
Antwort
Heute kann ich Ihnen die Ergebnisse eigener Recherchen und der Stellungnahmen von Kollegen übermitteln. Zusammengefasst ergibt sich das folgende Bild:
Wunden nach operativer, möglichst ausgedehnter, Behandlung der Akne inversa sind sekundär heilende Wunden, die mit Bakterien kolonisiert sind. Nach der dermatologischen AWMF – Leitlinie sind hier „geeignete Wundauflagen eventuell Vakuumversieglung “ empfohlen, keine Zinksalbe. In der S3 Leitlinie zur Lokaltherapie findet sich ein Absatz über den Einsatz von Zinksalbe als Wundrandschutz, in dem Vorteile für moderne Wundrandtherapeutika (Wundfix, Cavilon) gesehen werden. Zinksalbe gibt es in verschiedenen Konzentrationen. Sie ist umso schwerer vom Wundgrund/- rand zu entfernen je höher konzentriert sie ist. Für den Behandler bedeutet das Rückstände, die die Situation am Wundgrund/- rand verdecken, für die Patienten unnötige Schmerzen beim notwendigen rabiaten säubern.
Prof. Dissemond aus Essen hat auf meine Anfrage geschrieben: Zinksalbe ist für keine Wunde eine geeignete Therapie – also auch nicht bei Akne inversa.
Sie sehen also, dass ihre Kolleginnen Recht hatten zu remonstrieren. Wenn die Klienten sich lieber mit Zinksalbe behandeln lassen wollen setzen sie sich Nachteilen aus, die zu vermeiden wären. Gefährliche, eventuell toxische, Wirkungen wird die Zinksalbe hingegen nicht haben. Sollte es eine faire Diskussion mit den Verordnern geben, können Sie gerne an mich als Ansprechpartner des Wundzentrums verweisen.
Herzliche Grüße
Dr. Münter
Frage
Sehr geehrtes Expertenteam,
in meinem Apothekenalltag ist mir neulich ein Patient begegnet, der zur Behandlung seiner postoperativen Wunde eine Salbe verordnet bekam, mit ZnCl (0,1%) in Cold-Cream. Man hatte ihm erklärt, dass das Zink aus der Salbe wundheilungsfördernd wirke. Er sollte sich täglich die Wunde ausduschen und anschließend diese Salbe auf einer Kompresse in die Wunde bzw. auf die Wunde aufbringen. Es handelte sich wohl dabei um einen operierten Fistelgang mit einer durch die OP bedingt recht langen (keine Angabe) und bis zu 4cm tiefen Wunde. Die OP ist jetzt 14 Tage her.
Meine Frage dazu ist: ist es wirklich sinnvoll diese Wunde mit ZnCl-Salbe zu behandeln und ist das auf diese Weise eingebrachte ZnCl wirklich wundheilungsfördernd? Ist im Wundzentrum eine solche Vorgehensweise als erfolgreich und sinnvoll bekannt? Das tägliche Ausduschen und der tägliche Verbandswechsel störten mich auch schon.
Welche Empfehlung kann man hier geben?
Antwort
Ihre Skepsis ist aus meiner Sicht absolut berechtigt. Die vorliegende Versorgung entspricht in keinster Weise einer modernen Wundbehandlung.
Schon beim Ausduschen wäre der Hinweis auf Sterilfilter angezeigt.
Eine fette Salbengrundlage (Cold-Cream mit Bienenwachs) ist in der Wunde unerwünscht, zudem üblicherweise nicht steril.
Die Beimengung von Zinkchlorid macht diese Therapie nicht sinnvoller oder besser. Zink ist bekanntermaßen als Zentralatom in vielen Enzymen unverzichtbar, eine Substitution über die Wunde ist jedoch sicherlich kaum zu rechtfertigen. Solang ihnen von der herstellenden Apotheke die Zubereitung nicht als „zur Anwendung in Wunden“ deklariert ist, sollten Sie zudem auch an den juristischen Selbstschutz denken.
Zusammenfassend wäre ein Wechsel der Therapie auf wirkstofffreie Wundauflagen, z.B. Alginattamponaden oder Cavity-Schäume) mit mehrtägigen Standzeiten zu begrüßen. Das sinnvolle Ausduschen kann mit Sterilfiltern geschehen, so dass eine Kontamination mit Pseudomonaden ausgeschlossen werden kann.
W. Sellmer, Fachapotheker
Frage
Ich arbeite in einer Rehabilitationseinrichtung wo wir u.a. auch eine Musiktherapeutin haben welche gleichzeitig in der Pflege arbeitet. Von ihr bekam ich die Anregung es in der Wundversorgung auch mal mit Musik zu versuchen. Zum einen in der Schmerztherapie bei Verbandwechseln und zum anderen um den die Wundheilung beeinflussenden systemischen Faktor „Psyche“ positiv zu beeinflussen. Liegen Ihnen hier eigene Erfahrungswerte vor oder ist Ihnen jemand bekannt der diese hat?
Antwort
Der Einsatz von Musik in der Schmerztherapie ist empirisch gut belegt (schon aus dem dreißigjährigen Krieg gibt es eine – grausige – Darstellung in der sich ein Feldherr bei Marschmusik ein Bein amputieren lässt). Auch bestätigen moderne Erkenntnise der Hirnforschung, dass Musik andere Reize (Schmerz) überlagern kann. Also – warum nicht versuchen? Berichten Sie doch dann bitte auch über eventuelle Ergebnisse – das wäre sicher für alle Mitglieder des Wundzentrums interessant.
Viel Erfolg und beste Grüße Dr. Münter
Frage
Als ambulanter Pflegedienst wurden wir mit folgendem Therapievorschlag eines Arztes konfrontiert:
Diagnose laut Verordnung: ulcus Cruris linker Knöchel, koronare Herzkrankheit, HOPS, Raynaud-Syndrom.
Behandlungspflege: Wundverband mit Flammazinesalbe, täglich
Als Indikationen sind uns sonst nur Verbrennungen / Verbrühungen bekannt. Bitte teilen Sie uns Ihre Einschätzung mit.
Antwort
Die Verwendung von Arzneimittel außerhalb Ihrer Zulassung wird als Off-Label-Use bezeichnet und ist rechtlich nur in Fällen zulässig, wo die Standardtherapien versagt haben, Gefahr für Leib und Leben besteht oder die Zulassung auf Grund existierender Studien bald zu erwarten ist. Im Regelfall zahlen Kassen den Off-Label-Use nicht (s. Anlage). In dem von Ihnen geschilderten Fall werden Wunden eines Patienten mit Flammazine behandelt. Dieses Lokalantibiotikum hat in Deutschland nur die Zulassung zur Behandlung von Verbrennungen und Verbrühungen.
Folgende Schlussfolgerungen sind für mich zu ziehen:
Der behandelnde Arzt missbraucht offensichtlich seine Therapieverantwortung und behandelt ohne Not (es gibt ausreichende Alternativen) im Off-Label-Use.
Sie dürfen als Pflegedienst diese Therapieanweisung nicht ausführen (Mitverantwortung) sondern haben hier zu remonstrieren. Sie sollten zeitgemäße Alternativen zu der angeordneten Therapie empfehlen (bei infizierten Wunden Polyhexanid, Octenidin oder PVP-Jod, bei nichtinfizierten Wunden feuchte Wundauflagen), das Hauptaugenmerk sollte der Wundursache und der nötigen Kausaltherapie gelten, bei Therapieresistenz ist ggf. ein dermatologisches Gutachten zu empfehlen. Ggf. ist die Information von Angehörigen zu empfehlen. Der Patient kann auf Nachfrage an einen anderen Wundbehandler empfohlen werden.
In der Anlage finden Sie zur besseren Kommunikation die Konsensusempfehlung zur Wundantiseptik (am Ende die Negativliste, Silbersulfadiazin ist obsolet), die Negativliste des Wundzentrums Hamburg e.V. (siehe Standards).
Werner Sellmer