Antiseptik, Wundspülung, Wundinfektion, Sterilität
Frage
Sehr geehrtes Expertenteam!
Bei uns im Haus, kam es nach Einsatz von Rivanol,zur Behandlung einer Venenentnahmestelle nach ACVB-OP, an dieser zu einer Entzündung und lividen Verfärbung. Mir ist bewußt, dass diese Wahl nicht zeitgemäß war. Wie kann ich das am besten den Ärzten gegenüber argumentieren?
Mit freundlichen Grüßen
K. H.-T.
Antwort
Guten Tag Frau H.-T.,
ob das Rivanol an der Entzündung schuld war, kann man wohl nicht sicher feststellen. Klar ist allerdings, dass Rivanol, ein Farbstoff ist, der die Haut austrocknet, ein allergisches Potential hat und ausserdem auch noch hoch unpraktisch wegen der Verschmutzung von Wäsche und Haut ist. Also schlicht überholt. Wie Sie sicher wissen, empfehlen wir daher die farblosen, hypoallergischen , schmerzarmen Antiseptika Octenidin und Polyhexanid.
Viele Grüße
Dr. C. Münter
Frage
Ich habe eine Frage zum Thema Wundspülungen mit Octenisept. Gibt es explizite Kontraindikationen zur Spülung von großen evtl. tiefen Wunden mit Octenisept? Eine Patientin mit Z.n. Kaiserschnitt wurde nach einer chirurgischen Wundrevision mehrmals im Wundgebiet mit Octenisept gespült woraufhin Schmerzen und Gewebsuntergang die Folge war. Die Entzündungsparameter waren im Labor nicht erhöht.
Was wäre eine Alternative zu Octenisept?
Antwort
Guten Tag Frau G.,
es ist verboten Octenisept zu instillieren, d.h. in Wundtaschen oder Fisteln für eine längere Dauer einzubringen. Octenidinhaltige Wundspüllösungen können verwandt werden (spülen heißt aber, dass sie in kurzer Zeit wieder vollständig aus der Wunde entfernt sind). Alternativen wären z.B. polyhexanidhaltige Spüllösungen (z.B. Prontosan) oder physiologische Kochsalzlösung.
Viele Grüße
Dr. C. Münter
Frage
Hallo an die Experten
Ich habe eine Frage bezüglich Prontosan C ist es gefährlich wenn man Prontosan C anstatt Prontosan Wundspüllösung zur Reinigung von Ulcera verwendet?
Wäre ihnen für eine baldige Antwort sehr dankbar Mfg
Antwort
Liebe Frau F.,
Sie können Prontosan C z.B. bei PEG Eintrittsstellen oder an Kathetern verwenden. In den Sicherheitshinweisen (safety sheet) der Fa. Braun finden sich keine Hinweise auf Toxizität oder Sensibilisierung in besonderem Maße. Gefährlich ist es also nicht.
Viele Grüße
Dr. C. Münter
Frage
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Daueranwendung von silberhaltigen Wundauflagen ist nicht empfehlenswert, die Anwendungsdauer wird üblicherweise mit bis zu 14 Tagen angegeben. Nun ist die Frage an mich herangetragen worden, dass in den Niederlanden silberhaltige Auflagen gar nicht mehr empfohlen werden. Ich habe dazu im Netz recherchiert, bin aber leider nicht fündig geworden. Ist Ihnen diesbezüglich etwas bekannt?
Ich freue mich über eine Rückmeldung und danke Ihnen im Voraus.
MfG S. H., Apothekerin
Antwort
Sehr geehrte Frau H.,
herzlichen Dank für Ihre interessante Frage. Die Begründung für den Einsatz silberhaltiger Wundauflagen liegt in der antiseptischen Wirkung des Silbers. Wie die S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung ( DGfW) richtig feststellt, und sich dabei auch auf die Cochrane Stiftung berufen kann, fehlt dazu eine Evidenz ( Level I ). Andererseits gibt es starke Hinweise aus Real life Studien und klinischen Studien niedrigerer Evidenzlevel, dass eine Wirkung besteht und silberhaltige Auflagen, zeitlich begrenzt, eingesetzt werden sollten. Es wird auch in den Niederlanden so sein, dass eine offizielle Empfehlung zum Einsatz vermieden wird, einem versuchsweise Einsatz aber auch nicht widersprochen werden kann. Der Anwender ist hier auf seine eigenen Erfahrungen mit silberhaltigen Produkten angewiesen. In Deutschland gehört diese Produktgruppe übrigens zu den meistverordneten, was angesichts der doch recht hohen Preise erstaunlich ist und sowohl mit einem praktischen Benefit ( der überzeugenden Wirkung ) als auch mit Anwenderfehlern ( zu lange Anwendungszeit) erklärbar wäre.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. C. Münter
Frage
Auf unserer chirurgischen Station werden Fußbäder (Leitungswasser mit einem Schuss Octenisept) bei Ulcus jeglicher Art (venös, arteriell, Phlegmonen) angeordnet. Wie ist die Sinnhaftigkeit?.
Antwort
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Fußbäder sind deshalb „out“, weil eine offene Wunde in den Keimen der gesamten benetzten Haut gebadet wird. Das kann nicht gut sein. „Ein Schuß Octenisept“ klingt nach sehr zufälligem, geringen Zusatz von Octenisept. Das wird am Zuvorgesagten nicht viel ändern. Natürlich kann man Wunden ausduschen, aber bitte nur mit Wasserfilter! Das wäre ein guter Kompromiß.
Viele Grüße
Dr. Münter
Frage
In unserer Kinderklinik ist eine Frage zu therapeutischen Bädern wie z.B. Beta-Bädern o.ä. aufgetreten. In wie weit ist es rechtlich zulässig, diese Bäder bei z.B. Panaritium, Epidermolysis u.s.w. im Klinikbereich ohne steril gefiltertem Wasser durch zu führen? Vielen Dank vorab für Ihre Hilfe.
Antwort
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die von Ihnen angesprochene Warnung des Robert Koch Institutes bezieht sich vor allem auf das Ausduschen offener Wunden mit nichtfiltrierten Wasser. Das Baden von Kindern mit nicht eröffneter Haut in mit Betaisodona angereichertem Wasser scheint mir hiervon nicht betroffen. Sonderlich sinnvoll erscheint es mir allerdings auch nicht. Panaritien werden hierdurch mit Sicherheit nicht beeinflusst, die Behandlung der Epidermolysis ist ein Spezialgebiet der Kinderheilkunde, zu dem ich mich nicht äußern möchte. Hier zählt sicherlich besonders die klinische Erfahrung.
Viele Grüße
Dr. Münter
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Liebes Expertenteam, wir betreuen einen Pat. (insulinpflichtiger Diabetiker, hat eine pAVK bds. Oberschenkelamputation, häusliche Hygiene eine Katastrophe. Pat. hat sich neue Kompressionsstrümpfe für Stümpfe bestellt, die jedoch zu eng waren. Nach einem Tag tragen, bekam er eine Rötung, die sich innerhalb 3 Tagen zu einer nässenden Wunde entwickelte, sie ist stark gerötet, hat sich verdoppelt und zeigte grau/grünliche Beläge -ein Wundabstrich ergab: Pseudomonas (reichl.) Vor dem Wundabstrich wurde die Wunde mit Cutimed sorbact Kompressen versorgt. Jedoch hat sich innerhalb weiterer 2 Tage die Wunde wieder vergrößert, dicke feste Fibrinbeläge. Pat. lehnt einen Klinikeinweisung ab. Der Hausarzt möchte eine Antibiotikasalbe für 4 Tage anwenden, er habe damit bereits Erfahrungen gesammelt.
Wie ist Ihrer Ansicht diese Methode zu bewerten? Welche Behandlungen wären angesagt? Ich selbst habe noch keine Behandlung bei Pat. mit Pseudomonasinfektionen im häuslichen Bereich versorgt und bin nun unsicher, was ich noch empfehlen könnte (ausser natürlich eine Einweisung in die Klinik, da ich der Ansicht bin, daß der Keim das eine ist, jedoch die rapide schnelle Verschlechterung innerhalb 6 Tagen vielleicht einen schlechten Durchblutungsgrund sein könnte…. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Antwort
Herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Ich fürchte, dass Sie mit ihrer Einschätzung der Situation durchaus Recht haben könnten. Jedenfalls handelt es sich hier um eine äußerst gefährliche Lage. Den Vorschlag einer Klinikeinweisung kann man nur unterstützen und der Patient sollte auch weiterhin nachdrücklich in diese Richtung gedrängt werden. Die Anwendung einer antibiotischen Salbe erscheint hier nicht erfolgversprechend, da hierdurch nicht ausreichende Wirkspiegel im Gewebe erreicht werden können. Solange der Patient noch im Hause versorgt werden muss, wäre eine gründliche antiseptische Behandlung, zum Beispiel mit Polyhexanid oder Octenisept, verbunden mit sorgfältiger mechanischer Reinigung, die beste Möglichkeit.
Viel Erfolg und viele Grüße
Ihr
Dr. Münter
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Bei uns in der Praxis gab es nun 2 Fälle mit diabetischen Fußwunden, wo wir beim initialen Wundabstrich ein „normales“ Keimspektrum hatten. Bei nachfolgenden Abstrichen (beide Male nach mehrmonatiger Zeit, dann im KH) fand sich ein MRSA.
Wie häufig sollte ein Abstrich bei chronischen Wunden durchgeführt werden, um das Keimspektrum einschl. einer neuen MRSA-Infektion abzuklären? Ich plane nun, in der Praxis alle 4-6 Wochen zu kontrollieren.
Vielen Dank für die Information im Voraus.
Antwort
Schwierige Frage. Hier müssen ja auch die noch vertretbaren Kosten bedacht werden. Persönlich handhabe ich dies wie folgt: 1. Bei allen Verschlechterungen des Wundzustandes, die an eine Infektion denken lassen 2. vor allen Krankenhauseinweisungen bzw. vor Heimaufnahme 3. immer bei Neuaufnahme.
Routinemäßige Kontrollen bei asymptomatischen Patienten in unverändertem Umfeld bringen, fürchte ich, nicht genügend neue Erkenntnisse um die Ausgaben zu rechtfertigen.
Herzliche Grüße
Dr. Münter
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Ich arbeite in einem Pflegeheim. Dort erlebe ich es immer wieder, dass die Hausärzte bei nicht infizierten Wunden (von kleinen Risswunden bis zum Dekubitus) keine Wundreinigung verordnen, sondern „nur“ den Wundverband. Wenn ich dann vom Arzt ein Wundreinigungs-/ desinfektionsmittel wie Octenisept oder Ringerlösung zum Spülen und sterile Kompressen verlange, bekommt man oft die Antwort: „das brauchen Sie nicht, die Wunde ist doch nicht infiziert“. Das heißt im Endeffekt: alter Verband ab und neuer Verband ohne Reinigung auf die Wunde. Die Wundreinigung ist m.E. ein wichtiger Teil jedes Verbandswechsels, die man nicht weglassen kann. Ich desinfiziere deshalb jede Wunde, auch wenn ich keine offizielle ärztliche Anordnung habe. Ist meine Ansicht übertrieben? Kann man die Reinigung bei nicht infizierten Wunden tatsächlich weglassen? Was kann man ggf. dem Hausarzt entgegenhalten?
Antwort
Generell muss zwischen den Stufen der Kontamination-Kolonisation-kritischen Kolonisation und Infektion einer Wunde unterschieden werden. Ist die Wunde wirklich nur oberflächlich mit Bakterien besiedelt (Kontamination) genügt tatsächlich eine Wundspülung, am besten mit polyhexanid-/ octenidinhaltiger Wundspüllösung, mit NaCl 0.9% oder Ringerlösung. Haben sich die Bakterien bereits verbreitet und festgesetzt (Kolonisation) sollte zu Antiseptika (Polyhexanid – z.B. Lavasept, Octenidin – z.B. Octenisept) gegriffen werden. Die Reinigung der Wunde gehört somit immer zum Verbandwechsel. Allerdings sind Antiseptika nicht verordnungsfähig und Wundspüllösungen nur in einigen Fällen, so dass die Patienten hier Eigenleistungen erbringen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Münter
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Ich bin in der Hauspflege auf eine 42J. Patientin getroffen, die folgende Diagnosen hat: paranoide Schizophrenie, Nikotinabusus, Akne conglobata, Akne inversa inguinal beidseits und submammaer. Nach zurückliegender Operation zeigen sich nun Verwachsungen mit Zysten u. Eiterbildung. Sie wird von einer Dermatologin behandelt: 2x wöchentliches Spühlen mit Rivanol 0,1 und abends Eincremung mit Ichthoseptalcreme. Diese Behandlung läuft seit über einem Jahr. Kann ich der Ärztin Octenisept vorschlagen, da Rivanol als obsolet gilt/Wundabdeckung?
Antwort
Vielen Dank für Ihren interessanten Fall, der sicher eine Menge Probleme birgt. Soweit es hier vor allem um Antiseptik geht, kann man sicher Octenidin an Stelle von Rivanol empfehlen. Die Vorteile liegen darin, dass Octenidin farblos, gut verträglich (hypoallergen, schmerzarm) und sehr effektiv gegen eine große Anzahl Erreger ist. Einen Versuch ist es allemal Wert. Aber bitte nicht unkritisch für noch ein ganzes Jahr verwenden. Ein Erfolg sollte spätestens nach einigen Wochen sichtbar sein (Empfehlung zum Begutachten 14 Tage).
Viele Grüße Dr. Münter
Frage
Sehr geehrter Expertenrat!
Da wir in unserer Klinik mit dem Krankheitsbild Pyoderma gangraenosum nie zu tun hatten und nun wir so einen Pat. betreuen meine Frage: Das Pyoderma befindet sich über die Achillessehne des li Beines, besiedelt mit Pseudomonas aeruginosa und Escherichia coli. Die Wunde nicht abgegrenzt, Krater, Sehne sichtbar, Starkes Exsudat Größe ca. 20cm X 10cm. Wir wählten das Produkt Acticoat Absorbent wegen seines hohen silber Anteil und guter Kontakt zum Wundgrund. Dies erwies sich als nicht sehr glücklich, da sich das Acticoat von der Wunde, trotz Exsudat, kaum mehr lösen ließ. Meine Frage: War das Produkt grundsätzlich falsch bei diesem Krankheitsbild – smith&nephew habe ich telefonisch kontaktiert, diese meinten man könnte ohne Bedenken das Produkt anwenden. Was ist Ihre Empfehlung und was für ein Fachbuch wäre für dermatolog. Erkrankungen sinnvoll?
Antwort
Zunächst muss man festhalten, dass ein nachgewiesenes Pyoderma gangraenosum grundsätzlich fachärztlich ursächlich behandelt werden sollte (z.B. mit Corticoiden oder Cyclosporin und ggf. Antibiotika). Ohne eine solche Behandlung ist jede Lokaltherapie zum Scheitern verurteilt. Ihre Wahl (Acticoat absorbent) war sicher nicht prinzipiell falsch, wenn Sie hier aber praktische Schwierigkeiten hatten, sollten Sie wechseln. Bei freiliegender Sehne werden auch die Chirurgen zu den Erfolgsaussichten einer konservativen Therapie Stellung nehmen müssen. Insgesamt erfordert die Krankheit ein abgestimmtes multidisziplinäres Konzept!
Herzliche Grüße Dr. Münter
Frage
Ich bin eine ausgebildete Wundexpertin und arbeite in einer Uni-Klinik auf einer Überwachungsstation. Aktuell haben wir eine Pat, welcher nach rezidivierenden Darmfisteln eine Bauchdeckenplastik erhalten hat, wobei aber ein großer Teil des Bauches (20x30cm) noch als offene Wunde besteht, die mit einem Vicrylnetz vernäht ist. Nach Abstrich befinden sich in der Wunde Pseudomonaden, die nun systemisch behandelt werden. Ansonsten soll die Wunde nur mit feuchten Bauchtüchern versorgt werden. Nun meine Frage: Kann man hier auch mit Silberprodukten arbeiten und wenn ja, welche würde man am besten verwenden? Die Wunde ist in ihrer Wundheilung stark gestört (Wundränder sind nekrotisch abgegrenzt).
Antwort
Als niedergelassener Chirurg kommt man natürlich selten in den „Genuss“ solcher Wunden. Ich würde – obwohl sonst durchaus ein großer Silberanwender – hier zurückhaltend sein. Die Wirkung des Silbers ist nach namhaften Hygienikern nicht bewiesen, bei großen Wund- und damit Resorptionsflächen könnte man Bedenken anmelden. Wie wäre es mit der VAC-Therapie? Hier gibt es doch extra „Abdominal-Sets“! Ich leite die Mail an 2 namhafte Bauchchirurgen weiter, vielleicht kommt von dort noch ein Rat.
Viel Erfolg, viele Grüße, E. Schäfer